Bau- und Wohntrends aus den USA – Diese können auch Deutschen schmecken

Andere Länder – andere Sitten. Dieser Spruch gilt so auch völlig uneingeschränkt für das Bauwesen. Doch gerade, wenn man in Richtung USA schaut, haben viele Deutsche ein oft etwas schiefes, über-simplifiziertes Bild, das der wenig haltbaren „Wegwerf-Häuser“. Schon das ist längst nicht mehr haltbar, denn auch der hausbauende Amerikaner bezahlt längst keine Unsummen mehr für etwas, das nur wenige Jahrzehnte halten wird.

16.12.2022
Symbolbild Einfamilienhaus in den USA
„American Style Living“ muss nicht bedeuten, gleich mit XXL-Einfahrt und Flagge aufzuwarten. US-wohnen geht viel mehr im Detail. Foto: stock.adobe.com © Iriana Shiyan

Und von solchen Klischees einmal vollkommen weg haben sich zwischen Ost- und Westküste tatsächlich auch einige spannende Bau- und Wohntrends etabliert, die man sich auch als Deutscher einmal genauer ansehen sollte. Denn sie stehen, hierzulande umgesetzt, nicht nur für Individualität und einen Hauch von Übersee-Touch und american Way of Living, sondern dadurch auch für ein sehr gemütliches, praxisorientiertes Ambiente. Fünf besonders prägnante Dinge, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sehr häufig Verwendung finden zeigt der folgende Artikel im Detail.

1. Der Bungalow

Das gesamte Leben auf einer Etage, höchstens noch ergänzt um ein Kellergeschoss. In den USA ist das bereits seit vielen Jahrzehnten einer der wichtigsten Baustile für das klassische Einfamilienhaus; viel wichtiger (noch) als hierzulande. Kein Wunder, denn die Liste der Vorteile ist lang:

  • Technisch simplere Bauweise, dadurch i.d.R. schneller zu bauen.
  • Echte Barrierefreiheit; nicht nur für ältere Menschen, sondern auch (kleine) Kinder.
  • Größere Flexibilität, weil Anbauten, sowohl in technischer wie stilistischer Sicht, leichter realisierbar sind.
  • Familiäreres Beisammensein, weil das Wohnen nur auf einer Ebene stattfindet.
  • Ungleich größere stilistische Möglichkeiten, weil bei der Wandgestaltung keine Rücksicht auf die Statik darüberliegender Stockwerke genommen werden muss. Das gilt auch für den Grundriss.
  • Bei gleicher Wohn- eine oftmals größere Dachfläche – heutzutage perfekt für Photovoltaik und Co.

In den USA sorgte das in den 1950ern, -60ern und -70ern dafür, dass sich dort das sogenannte Ranch-Style-House enorm stark verbreitete – längst nicht nur als „Ranch“, sondern wirklich überall zwischen Stadträndern, Vorstadtsiedlungen und ländlichen Gemeinden.

Natürlich braucht es in Deutschland kein „echter“ Ranch-Bungalow zu sein; dessen stilistischen Details würden vielleicht auch manche Bebauungspläne einen Riegel vorschieben. Aber die Merkmale des modernen, europäischen Bungalows sind im Grunde deckungsgleich mit seinen amerikanischen Verwandten, auch ohne waagerechte Bretterfassade, angebaute Garage und Fake-Fensterläden. Anders formuliert: Ein hiesiger Bungalow bietet praktisch alle Vorteile, ohne zu amerikanisch zu wirken. Ein spezielles Ranch-Detail allerdings kann mit dem Klimawandel im Hinterkopf durchaus auch hierzulande Sinn machen:

Symbolbild Einfamilienhaus in den USA
Der weit vorkragende Dachüberstand ist das Merkmal des Ranch-Style. Aber er hat durch die Abschattung sehr viel praktischen Nutzen. Foto: stock.adobe.com © Ursula Page

2. Der große Dachvorsprung

Es ist zwar primär ein Merkmal von Ranch-Style-Häusern, wird aber traditionell auch bei anderen US-Hausbauformen gerne appliziert: ein großer Dachvorsprung, bei dem die Traufe nicht selten weit mehr als einen halben Meter über die Fassade hinausragt.

Bei den Amerikanern geschieht dies besonders häufig bei Häusern im „Sun Belt“, also den US-Gebieten südlich des 37. Breitengrades (etwa zwischen der Mitte Kaliforniens und North Carolinas). Dort also, wo die Sonneneinstrahlung und sommerlichen Temperaturen ziemlich stark sein können – was im Zuge des Klimawandels auch für Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten prognostiziert wird und sich in den vergangenen Sommern bereits gut beobachten ließ.

Besonders wirksam wegen des einzelnen Stockwerks ist das natürlich abermals beim Bungalow. Da passiert dank des großen Dachvorsprungs folgendes:

  • Die Fenster bzw. die dahinterliegenden Innenräume werden vor übermäßiger Direkt-Sonneneinstrahlung geschützt, ohne dass jedoch die generelle Lichtmenge in den Räumen zu stark reduziert wird.
  • Der Innenraum heizt sich dadurch an heißen Tagen weit weniger auf; es sinkt der Bedarf an Energie zur Kühlung (Stichwort Klimaanlage).
  • Durch die weniger direkte Sonneneinstrahlung gibt es trotz großer Fensterflächen (ein weiteres Merkmal des Ranch-Styles) weniger Probleme durch UV-Strahlung, etwa Ausbleichen von Möbeln.
  • Im Winterhalbjahr sinkt der Sonnenstand unter die Dachkante. Dadurch gelangt das Licht wieder direkt in den Innenraum und hilft dort beim Erwärmen.

Natürlich, das benötigt ein standortgenaues Planen, das den exakten Einstrahlwinkel der Sonne je nach Jahreszeit mit einbezieht. Dann aber bekommt man alle Vorteile, die auch die Bewohner der südlichen USA genießen – plus die Tatsache, dass die Fassade besser vor Schlagregen und Verschmutzung geschützt wird.

Symbolbild Veranda bei einem Einfamilienhaus in den USA
Schon eine kleine Veranda lässt den Eingangsbereich weniger abweisend wirken. Außerdem vergrößert sie in jedem Fall die Wetterschutz- und Dekofläche vor dem Haus. Foto: stock.adobe.com © Jason

3. Die Front Porch

Es ist ein Detail, das so ur-amerikanisch ist, dass es selbst bei ausgesprochen urbanen Einfamilienhäusern noch appliziert wird – aber in Deutschland fast gänzlich unbekannt ist: Die Front Porch, besser bekannt als Veranda, oder eben direkt übersetzt „Vorderterrasse“. Denn ob nun durch ein Vorziehen von Fundament und Dachvorsprung realisiert oder durch eine angesetzte (Holz-)Konstruktion: Die Veranda im Bereich des Vordereingangs ist so amerikanisch wie Apfelkuchen. Und das hat seine Gründe:

  • Die Vorderseite des Hauses wirkt viel einladender, da die Veranda mehr Wohnlichkeit vermittelt als eine bloße Fassade.
  • Man hat einen inhärent großen Wetterschutz vor der Haustür – sinnvoll nicht nur für Gäste.
  • Es ist ein exquisiter Ort, um besser mit seiner Umgebung, etwa den Nachbarn, zu interagieren.
  • Viel Platz für alle, die auf umfangreiche Außendekoration, besonders im jahreszeitlichen Wechsel stehen.

Natürlich, man muss im deutschen Neubaugebiet nicht wie ein Amerikaner mit einem Einmachglas voll selbstgemachter Limonade auf der „Porch Swing“ die Seele baumeln lassen und jeden Vorbeigehenden grüßen. Doch auch so bringt die Veranda all ihre amerikanischen Vorteile ins Spiel – und ist natürlich auch die perfekte Umsetzung des genannten Dachvorsprungs.

4. Der abwesende Couchtisch

Wer das nächste Mal US-amerikanische Filme und Serien schaut, sollte bei Wohnzimmerszenen einmal genauer hinsehen. Häufig fällt einem dabei nämlich auf, dass dort der in Deutschland nach wie vor als absolutes Must-Have angesehene Couchtisch durch Abwesenheit glänzt. Ja, für manche Deutsche scheint das eine schockierende Vorstellung zu sein. Aber werfen wir mal einen Blick auf zeitgenössische deutsch-amerikanische Wohn-Realitäten:

  • Offenes Wohnen wird immer beliebter. Auch vom Küchentisch aus ist der Fernseher deshalb meist gut sicht- und hörbar, weshalb die Notwendigkeit des Wohnzimmertischs zum Speisen wegfällt.
  • Nicht nur die Fernsehzeitung läuft in immer mehr Haushalten direkt auf dem TV- oder Handydisplay. Auch die Anzahl der Fernbedienungen sinkt dank smarter Fernsehgeräte mit integrierten Festplattenspeichern und Receivern seit Jahren wieder. Was dann noch an Ablagefläche benötigt wird, kann leicht durch kleinste Beistell-Tischchen realisiert werden.
  • Ob freistehend oder als L-förmige Kombination, Couches bleiben üppig und ausladend. Will man nicht auf einen ähnlich wuchtigen Couchtisch setzen, gibt es deshalb sowieso immer Sitzzonen, die ohne Direktzugang zum Tisch auskommen müssen.

In der Realität sind Couchtische deshalb vor allem eines: ein Ort, an dem sich Krimskrams sammelt und auf den einige die Füße ablegen. Auf ersteres kann man getrost verzichten, für letzteres gibt es Couches mit Relax-Funktion oder Beistellhocker – in den USA ebenso schon weitaus länger wie die offene Raumgestaltung, weshalb dort der Couchtisch seit vielen Jahren weniger selbstverständlich ist. Das Wohnambiente gewinnt darüber, denn der abwesende Tisch sorgt für Klarheit und lässt kleinere Räume deutlich an gefühlter Fläche gewinnen.

Symbolbild Schlafzimmer in den USA
Einbaumöbel sorgen für ein klareres Ambiente – und, weil sie maßgefertigt werden, auch für ein stimmigeres Gesamtbild. Foto: stock.adobe.com © sveta

5. Die vielen Einbaumöbel

Deutschland ist das einzige felsenfest etablierte Einbau-Möbelstück die Küchenzeile, mittlerweile auch gern durch Schlafzimmer-Kleiderschränke ergänzt. Was aber den großen Rest zwischen Bücherregal, Dielengarderobe und Co. anbelangt, setzen die allermeisten Deutschen nach wie vor auf klassische Möbelstücke.

Auch da lohnt ein Blick zu den Amerikanern. Gerade heute, wo auch bei uns die Leichtbau-Ständerbauweise so stark an Beliebtheit zulegt. Denn wo „die Amis“ schon seit Jahr und Tag auf Trockenbau setzen, haben sie auch eine große Expertise darin entwickelt, die notwendigen Möbel in die Bausubstanz zu integrieren bzw. einen Schreiner damit zu beauftragen, es zu tun.

Die Vorteile liegen auch hier auf der Hand:

  • Der Wohnbereich wird „entkrempelt“, klarer, wirkt weniger überladen, ohne auch nur einen Quadratzentimeter Staufläche zu verlieren.
  • Man kann die tausenderlei Dinge, die zum Alltag gehört, nonchalant und unsichtbar verstauen, ohne dass sie dadurch in unerreichbare Ferne rücken.
  • Es wird viel leichter, ein einheitliches Möbelkonzept zu finden, weil Einbaumöbel auf den tatsächlichen Raum zugeschnitten sind, statt zu möglichst vielen passen zu müssen.

Natürlich, das bedeutet beim Bau, weniger Spaß im Möbelhaus zu haben. Und die Anschaffungskosten für maßgefertigte Einbaumöbel sind i.d.R. höher. Dafür aber spart man auf lange Sicht. Denn an solchen Möbeln sieht man sich weit weniger schnell satt. Zudem reicht, selbst wenn, für einen Stilwechsel meist nur das Austauschen der Fronten – just so, wie es bei Küchen schon seit Jahren gern praktiziert wird.

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Monika Läufle

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