Barrierefreiheit – Eine Investition fürs Leben

Viele Jahre wurde Barrierefreiheit vor allem mit Haltegriffen und Treppenliften in Verbindung gebracht, mit Umbauten und Hilfsmitteln, die dann notwendig werden, wenn die Bewohner körperlich eingeschränkt sind. Architektin Irmtraud Swoboda ist überzeugt: Bauherren sollten schon bei der Planung des Neubaus die Barrierefreiheit im Blick haben – und können so (fast) ohne Zusatz kosten für morgen barrierefrei planen.

06.09.2024
Grafik Barrierefreiheit
1. Ohne Schwellen: Eine Überdachung, keine Treppen – so wird der Hauseingang barrierearm. 2. Verkehrsflächen: Sind der Flur und die Türen breit genug, dass auch ein Rollstuhl – oder ein Kinderwagen – Platz hat? Illustration: Verband Privater Bauherren (VPB)

Hurra-wir-bauen: Was sind die Vorteile
eines barrierefreien Neubaus?

Irmtraud Swoboda: Die Planung des Neubaus sollte auf zukünftige Nutzer jeden Alters ausgerichtet sein. Bauherren können frühzeitig für ihr eigenes Alter und mögliche Handicaps vorsorgen, aber auch für einen eventuellen späteren Verkauf. Der Wert der Immobilie ist höher, wenn die Barrierefreiheit im Wesentlichen berücksichtigt wurde. Die Investivkosten für die Planung der Barrierefreiheit sind nur geringfügig höher als ohne Barrierefreiheit. Eine spätere Umrüstung hingegen kann erheblich ins Geld gehen. Und schließlich ist Barrierefreiheit immer auch ein Beitrag zum Wohnkomfort – denken Sie nur an Staubsaugen ohne Türschwellen.

Hurra-wir-bauen: Welche Vorteile hat eine barrierefreie Gestaltung für junge Bauherrenfamilien?

Irmtraud Swoboda: Generell kann man sagen: Alles was für Bewohner mit Gehhilfen und für Rollstuhlfahrer vorteilhaft ist, ist auch für kleine Kinder, Mütter und Väter mit Kinderwagen leichter nutzbar.

Hurra-wir-bauen: In welchen Punkten werden aus Ihrer Sicht beim Neubau unter der Überschrift Barrierefreiheit die größten Fehler gemacht?

Portrait Irmtraud Swoboda
Dipl.-Ing. (TH) Architektin Irmtraud Swoboda, Leiterin des Regionalbüros des Verbandes Privater Bauherren (VPB) in Gießen-Wetzlar

Irmtraud Swoboda: Beim Neubau ist die Erschließung des Hauses möglichst bodengleich zu planen. Das heißt, der Zugang sollte ohne Schwellen mit Gehhilfen und Rollstuhl zu erreichen sein. Dann braucht man später keine Rampen. Ebenfalls sollte die Innentreppe ausreichend bemessen sein, um eventuell einen Treppenlift einbauen zu können. Auch im Bad ist ausreichend Platz wichtig. Dann kann die heute schon im Allgemeinen barrierefreie Fläche bei Bedarf auch mit Gehhilfe oder Rollstuhl erreicht werden kann, ebenso die WC-Anlage.

Hurra-wir-bauen: Können Sie Beispiele nennen für Fehler, die später nicht mehr korrigiert werden können?

Irmtraud Swoboda: Die Höhenlage des Wohnhauses ist gar nicht und die Planung des Bades nur mit erheblichem Aufwand korrigierbar. Die Raumaufteilung sollte unbedingt kritisch im Blick auf die zukünftige Nutzung geprüft werden. Ideal ist, wenn die Planung den Weg für künftige Nutzungsänderungen offenlässt.

Hurra-wir-bauen: Wenn Bauherren zum Zeitpunkt des Neubaus nicht in allen Bereichen das Konzept Barrierefreiheit umsetzen möchten – etwa, weil sie sich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht vorstellen können, wie die Nutzung der Räumlichkeiten dann aussehen wird, wenn Barrierefreiheit erforderlich ist – wie können Sie eine spätere Umgestaltung zumindest so vorbereiten, dass diese dann mit möglichst wenig Aufwand und möglichst geringen Kosten realisiert werden kann?

Irmtraud Swoboda: Alle genannten Punkte - Barrierefreiheit gleich flächenebene Erschließung, ausreichend dimensionierte Bewegungsflächen, künftige Raumnutzungen – sollten vor Ausführung geplant und bedacht werden. Sinnvoll ist beispielsweise, alle nicht tragenden Wände in Leichtbauweise auszuführen, um später Räume vergrößern oder zusammenlegen zu können. Dann kann aus einer Küche mit Esszimmer eine großzügige Küche mit Essplatz werden.

Info

Barrierefreiheit Ratgeber

Weiter Informationen rund um die Barrierefreiheit finden Sie auf www.vpb.de/baupraxis-barrierefrei.php. Zudem können Sie dort einen Leitfaden zum Thema bestellen.

Hurra-wir-bauen: Welche Bedeutung haben Smart-Home-Lösungen im barrierefreien Haus? Wie können Bauherren die Voraussetzungen dafür schaffen, dass solche Techniken einfach nachgerüstet werden können?

Irmtraud Swoboda: Smarthome-Lösungen, sprich Automation für Einfamilienhäuser und Wohnungen inklusive Bewachungssystem, unterstreichen das selbstständige Leben, auch von eingeschränkten Personen sehr. Die Nachrüstung ist einfach, da sie auch auf Leitungsneutrale Systeme abgestellt werden kann. Hilfreich sind dafür Installationskanäle. Sorgfältig geplant, müssen diese nicht störend wirken.

Hurra-wir-bauen: Im Wohnhaus gibt es auch unzählige Kleinigkeiten, die leicht vergessen werden, die aber ohne Mehraufwand und ohne höhere Kosten zur Barrierefreiheit beitragen…

Irmtraud Swoboda: Die Platzierung von allen elektrischen Installationen, Schaltern und Steckdosen ist sorgfältig zu bedenken. Rollstuhlgerecht ist hier auch kindgerecht. Auch ist die Anordnung der Türen und ihr seitlicher Abstand im Hinblick auf Bedienung durch Bewohner mit Gehhilfe oder Rollstuhl zu beachten.

Hurra-wir-bauen: Welche Fördermittel gibt es aktuell für Barrierefreiheit?

Irmtraud Swoboda: Umfangreiche Fördermittel gibt es leider nur für altersgerechten Umbau und barrierefreie Nachrüstung. Für Bauherren, die im Neubau auf Barrierefreiheit achten, kommen nur generelle Neubau-Förderungen wie das KfW-Wohneigentumsprogramm in Frage. Je nach zu versteuerndem Jahreseinkommen des Sparjahres kann auch die Wohnungsbauprämie nach Prämiengesetz genutzt werden.

Vorschau
  • Verband Privater Bauherren
    Chausseestraße 8
    10115 Berlin

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